9. Deutscher Bergmannstag in Herne (Ruhrgebiet)
Die Berg- und Hüttenfahnen wehten, die Federstutze an den Schachthüten bewegten sich leicht im Wind und strahlender Sonnenschein begrüßte die Besucher, als Herbert Stabenow, der Vorsitzende des Bundes Deutsche Bergmanns-, Hütten- und Knappenvereine verkündete: “Hiermit erkläre ich den 9. Deutschen Bergmannstag für eröffnet.”
Dieser 9. Deutsche Bergmanns-, Hütten- und Knappentag wurde in Herne vom 01. – 03. September 2000 ausgerichtet, einer Stadt, die wie das gesamte Ruhrgebiet ein Jahrhundert von der Montanindustrie gekennzeichnet wurde, mit ihr und von ihr lebte.
“Das Ruhrgebiet gilt als der bedeutendste deutsche und europäische Industriebezirk. Im Bundesland Nordrhein-Westfalen gelegen, erstreckt sich das Kerngebiet als breite Zone aneinandergereihter Städte vom linksrheinischen Teil Duisburgs bis nach Dortmund im Osten, mit seinen Randgebieten reicht es von nahe der niederländischen Grenze bis nach Hamm, im Norden über die Lippe und im Süden teilweise über die Ruhr hinaus. Es umfasst rd. 5ooo km2 Fläche; das sind rund 15% der Gesamtfläche Nordrhein-Westfalens und mit rd. 5,6 Millionen Einwohnern etwa ein Drittel der Gesamtbevölkerung dieses Bundeslandes. Über 2ooo Einwohner leben hier auf einem km2: Das Ruhrgebiet ist damit das am dichtesten besiedelte Gebiet der Bundesrepublik… Der Hauptfaktor dieser Entwicklung war die Existenz großer Steinkohlenvorkommen: Die kohleführenden Schichten treten im Süden des Ruhrgebietes, in der sogenannten Ruhrzone, unmittelbar an der Tagesoberfläche aus, während sie nach Norden zu von Kreide- und anderen im Tertiär entstandenen Schichten überlagert werden. Die Flözobergrenze liegt an der Lippe bereits 6oo bis 8oo m tief und fällt bis Münster auf 14oo m ab. Im Anschluß und in Verbindung mit dem Bergbau entwickelte sich insbesondere im 19. Jahrhundert ein bedeutendes Industriegebiet, wobei vor allem Großbetriebe der Eisen- und Stahlerzeugung und -verarbeitung sowie der chemischen und Grundstoffindustrie zu erwähnen sind.” (Slotta, R.; Festschrift zum 9. Bergmannstag).
Wie im Freiberger Bergbaurevier gibt es in Herne keinen aktiven Bergbau mehr: die letzte der Herner Zechen schloß Ende der 70-ger Jahre.
Doch ebenso wie in unserem Revier und im gesamtem Erzgebirge sind auch im Ruhrgebiet viele Bergmanns-, Knappen- und Hüttenvereine mit Begeisterung und großem Engagement dabei, bergmännisches Brauchtum, Werte und Traditionen zu bewahren und zu pflegen. Nicht zuletzt die Verdienste um die Traditionspflege führten zur Vergabe der Ausrichtung des Bergmannsfestes an die Stadt Herne.
Von unserer Knappschaft nahm eine 50 Mitglieder umfassende Gruppe an diesem Ereignis teil.
Zunächst schien das Wetter partout nichts mit den bergmännischen Festtagen im Sinn zu haben: es regnete was vom Himmel herniederging; doch zur rechten Zeit – zur Eröffnung, zum Zapfenstreich und zur Bergparade hatten sich St. Barbara und Petrus geeinigt; die Sonne fuhr mit den Berg- und Hüttenleuten zum Fest an.
Nach der Anreise fanden wir ein freundliches Quartier in der Bochumer Polizeikaserne.
Etwa 6ooo Berg- und Hüttenleute von ca. 180 Vereinen, Knappschaften und Orchestern aus Deutschland sowie aus acht europäischen Ländern waren gekommen, um ihre Aufwartung zu machen und ein herzliches “Glück auf” aus ihren Revieren zu überbringen.
3oo ooo Gäste (nach Schätzungen der Gastgeber) ließen es sich bei diesem bergmännischen Großereignis, das in vieler Hinsicht im Stile eines rheinisch-westfälischen Volksfestes ablief, nicht nehmen, vor allem die Höhepunkte des Festes – Zapfenstreich und Bergparade – zu besuchen.
Der 9. Bergmannstag stand unter dem Motto: “Wurzeln, Wandel, Innovationen” und hatte als Schwerpunkt den Strukturwandel im industriellen Ballungsgebiet an Rhein und Ruhr im Blick. Förderten 1950 noch 143 Bergwerke mit 433.359 Beschäftigten 103 Millionen t Steinkohle, so besteht der Ruhrbergbau derzeit aus 13 Bergwerken, die mit etwa 6o.ooo Beschäftigten eine Förderung von knapp 41 Millionen t erbringen. Weitere Zechenstilllegungen stehen an (Vgl. Festschrift zum 9. Bergmannstag).
Bereits bei der musikalischen Eröffnung der Festes war Wandel und Innovation zu hören: Nachdem das Orchester der Zeche Consolidation die Originalfassung des Steigerliedes gespielt hatte, interpretierte die Musikschule Herne das traditionelle Bergmannsstück im Swing-Sound für drei Abbauhämmer und einem Glockenspiel aus Gleisstücken.
Das zugehörige Rahmenprogramm und eine umfängliche Exposition mit sehr vielen interessanten Objekten präsentierten das Ruhrgebiet in eben diesem strukturellen Wandel als Ideenschmiede und Standort modernster Wirtschaft.
Viel Prominenz aus Politik und Wirtschaft erwiesen dem Anliegen des Bergmannstages mit ihrer Anwesenheit und bei Reden entsprechende Aufmerksamkeit. So führte z.B. der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen Clement in seinem Grußwort an den Bergmannstag aus:
“Die Bergleute und ihre Familien haben die Krise des Ruhrbergbaus erlebt und durchlitten, aber sie konnten diesen schweren Weg in Würde gehen. Ein Netz sozialer Sicherungen hat dafür gesorgt, daß kein Bergmann ins Bergfreie gefallen ist. Ich danke den ehemaligen und aktiven Bergleuten, daß sie die Herausforderungen des strukturellen Wandels angenommen haben und daß sie gemeinsam mit ihren Betriebsräten, mit der Gewerkschaft und mir den Verantwortlichen in den Unternehmen und in der Politik den Strukturwandel von Anfang an mitgestaltet haben.” Was Wunder, daß sehr vielen unserer Knappschaftsmitglieder dabei der schonungslose “Strukturwandel” im ostdeutschen Bergbau und das dabei Erlebte einfiel…
Der späte Abend des 2. September gehörte den sächsischen Vereinen und Knappschaften. Sie gestalteten bei Fackelschein auf dem Festplatz einen beeindruckenden bergmännischen Zapfenstreich, der vor allem durch die Buntheit der historischen Uniformen und das Können der beteiligten Orchester (Bergmusikkorps Schneeberg und Bergkapelle Oelsnitz) bestach und starken Beifall der Besucher hervorrief. Zum Abschluß dieses Tages scheuten die Organisatoren beim Höhenfeuerwerk weder Kosten noch Mühe.
Der Sonntag stand im Zeichen der großen Bergparade von 6ooo Trachtenträgern. Vorher gab es für die Freiberger noch eine ganz spezielle Attraktion: den Besuch des Bergbaumuseums Bochum. Die meisten sahen diese erstklassige Darstellung von Geschichte und Technik des Bergbaus zum ersten Mal und nahmen sich vor, noch einmal hierherzukommen, denn die zur Verfügung stehende Zeit war zu kurz.
Die Bergparade zum 9. Bergmannstag war eine gelungene “Heerschau der bergmännischen Paradetraditionspflege”. Die Sachsen, unter ihnen unsere Knappschaft, boten inmitten des traditionellen Schwarz der Steinkohlenbergleute sehenswerte Historie erzgebirgischen Erzbergbaus. Es gab von den zahlreichen Zuschauern viel Beifall und auch viele Fragen nachdem Was und Woher.
Mancher der Besucher wird wohl – so war aus Bemerkungen zu hören – auch Freiberg in seine künftige Reiseplanung aufnehmen.
von Eberhard Pönitz